18. September 2016
Das Land Hessen will im kommenden Jahr Schulden abbauen und 3000 neue Stellen in den Bereichen Bildung und Sicherheit schaffen, weil in diesem Jahr mehr Geld als erwartet eingenommen worden ist. Die Opposition kritisiert, das greife zu kurz. Wo positionieren Sie sich als Fraktionslose in dieser Sache?
Mürvet Öztürk: Die geplanten neuen Stellen in den Bereichen Bildung und Sicherheit begrüße ich sehr. Ich schließe mich der Forderung der Gewerkschaften an, dass das Ziel der Personalkostenreduzierung und der damit verbundene Personalabbau aufzugeben ist. Die großen Herausforderungen der nächsten Jahre können ohne gut ausgebildetes Personal nicht gestemmt werden.
Die Altersstruktur der Beschäftigten in der hessischen Landesverwaltung ist unausgewogen und die Nachwuchssicherung unzureichend. Die Folge davon ist die Vergabe der Aufgaben an private Dritte, die auf die Dauer zur Abschaffung bestimmter staatlicher Leistungen führen kann. Diese Tendenz der letzten Jahre des Personalabbaus finde ich falsch.
Wichtig ist jedoch die Qualität der geschaffenen Stellen. Es wäre im Bereich der Bildung Kettenbefristungen abzuschaffen, Entfristung der befristeten Beschäftigten vorzunehmen und unbefristete Einstellungen zu erfolgen. Es ist für befristet beschäftigte Lehrerinnen und Lehrer unzumutbar, sich jedes Jahr zu Ferienbeginn arbeitslos zu melden, um zum Schulbeginn erneut eine befristete Anstellung zu erhalten.
Zudem brauchen wir ein umfassendes Konzept zur Aus- und Fortbildung sowie zur Nachwuchsgewinnung in der Landesverwaltung, das sich unabhängig vom Parteibuch des Bewerbers auf die Qualifikationen der Person konzentrieren muss.
Die schwarz-grüne Landesregierung hat bei der Ausgestaltung des Landeshaushaltes erheblich mehr Spielräume, als frühere Landesregierungen diese hatten. Zurückzuführen ist dies vor allem auf zusätzliche Steuereinnahmen des Landes, niedrige Zinsen, eine gute Konjunktur und höhere Zuschüsse aus dem Bund. Trotz der guten Finanzlage erreicht der Anteil der öffentlichen Investitionen im neuen Haushalt leider einen neuen Tiefstand.
Die im Bereich Bildung geplanten Neueinstellungen werden vermutlich dem Anstieg der Schülerinnen und Schüler nicht standhalten. Eine angemessene Erhöhung der Besoldung von Beamtinnen und Beamten ist leider im neuen Haushalt auch nicht zu finden. Genau das wäre wichtig. Gerade in Jahren, in denen die Einnahmen des Landes hoch sind, müsste mehr in Zukunft investiert werden.
Wie sieht Ihr Terminplan für die nächste Woche aus?
Öztürk: In der kommenden Woche nehme ich an einer Informationsreise des Europa-Ausschusses in unsere polnische Partnerregion Wielkopolska teil und freue mich auf die Gespräche dort. Ich hoffe, dass wir mit unserer Reise mehr für ein einiges Europa im Sinne der jungen Generation bewirken zu können.
Mürvet Öztürk aus Wetzlar gehört seit 2008 dem Hessischen Landtag in Wiesbaden an. Im September 2015 trat sie im Streit um die Flüchtlingspolitik aus der Fraktion von Bündnis ’90/Die Grünen aus.
Dieser Beitrag ist ursprünglich am 18.09.2016 in der Wetzlarer Neuen Zeitung erschienen.