6. November 2016
Die neuen Lehrinhalte für den Sexualkundeunterricht stoßen auf Widerstand. Es hat bereits Demonstrationen von Gegnern und Befürwortern gegeben. Im Lahn-Dill-Kreis ist der Vorsitzende des Kreiselternbeirats zurückgetreten, weil ihm die Inhalte nicht passen. Woran liegt die Polarisierung und wie ist ihre Meinung zu den Lehrplänen?
Mürvet Öztürk: Der Streit um den Sexualkundeunterricht dreht sich im Kern um eine Verordnung des Hessischen Kultusministers Ralph Alexander Lorz (CDU). In der Verordnung wird die „Akzeptanz von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, trans- und intersexuellen Menschen“ zu einem Ziel des Sexualkundeunterrichts erklärt. Diese Verordnung wurde im Hessischen Landtag ohne Gegenstimmen unterstützt.
Am 30. Oktober demonstrierten in Wiesbaden rund 1000 Menschen auf der sogenannten „Demo für alle“ gegen diese Verordnung. Allerdings gingen einige Stunden zuvor auch in Wiesbaden rund 2000 Menschen auf die Straße, um die Verordnung der Landesregierung zu unterstützen. Während die „Demo für alle“ vor allem von konservativen bis rechten Kreisen unterstützt wurde – so sollen sich auch rund zwei Dutzend Nazis unter die Demonstranten gemischt haben –, wurde die Demonstration „ für Akzeptanz und Vielfalt“ und „gegen Diskriminierung und Ausgrenzung“ von einem bunten Kreis aus mehr als 80 Organisationen unterstützt.
Natürlich sind das Recht auf freie Meinungsäußerung und die Demonstrationsfreiheit hohe Güter in unserer Demokratie. Jede demokratische Gesellschaft lebt von widerstreitenden Meinungen und Ansichten. Doch zu den Grundprinzipien jeder Demokratie gehört auch gegenseitiger Respekt, Toleranz und Anerkennung. Ich bin deshalb davon überzeugt, dass die Zielsetzung des Kultusministeriums für den Sexualkundeunterricht richtig und wichtig ist. Zu der Aufklärung unserer Kinder im Sexualkundeunterricht gehört eben auch das Wissen darüber, dass es unterschiedliche sexuelle Orientierungen gibt und an diesen nichts verwerflich ist. Das hat nichts mit „indoktrinierende Sexualerziehung“ zu tun, wie es die Gegner der Verordnung auf der „Demo für alle“ darzustellen versucht haben. Im Gegenteil, wenn wir als Demokratinnen und Demokraten eine weltoffene Gesellschaft anstreben wollen, müssen wir uns nicht nur gegen Rassismus, Antisemitismus, Islamophobie und Antiziganismus positionieren. Wir müssen auch eine klare Haltung gegen Homophobie einnehmen. Und ein Sexualkundeunterricht, der die Akzeptanz der sexuellen Vielfalt sich zum Ziel erklärt, kann für dieses Ziel nur dienlich sein.
Wie sieht Ihr Terminplan für die nächste Woche aus?
Öztürk: Ich werde erneut Gespräche mit Türkischen Abgeordneten aus der Oppositionspartei der HDP führen und habe zuvor Gespräche mit Abgeordneten der CHP geführt. Beide Oppositionsparteien sind sehr besorgt über die Aushöhlung der Demokratie in der Türkei und die passive Haltung der Bundesregierung. Ich hoffe, diese Gespräche bleiben nicht ohne Wirkung und hoffe, dass damit ein Beitrag zur Stärkung der parlamentarischen Demokratie in der Türkei geleistet wird.
Mürvet Öztürk aus Wetzlar gehört seit 2008 dem Hessischen Landtag in Wiesbaden an. Im September 2015 trat sie im Streit um die Flüchtlingspolitik aus der Fraktion von Bündnis ’90/Die Grünen aus.
Dieser Beitrag ist ursprünglich am Sonntag, 6. November 2016 in der Wetzlarer Neuen Zeitung erschienen.