Quelle: allgemeine-zeitung.de
Autor: Christoph Cuntz
LANDTAG Der Austritt der Abgeordneten Mürvet Öztürk aus der Fraktion macht deutlich: Die Flüchtlingskrise wird zum Problem für die Grünen
WIESBADEN – Ursprünglich hatte die Mitgliederversammlung der hessischen Grünen, die am Samstag kommender Woche in Limburg stattfindet, brav und bieder über Kommunalwahl und Klimaschutz debattieren sollen. Doch durch die aktuelle Entwicklung ist die Tagesordnung längst überholt: Nun will der Landesvorstand auch über die Flüchtlingskrise in all ihren Facetten reden.
Bei den Grünen in Hessen ist das Thema besonders facettenreich. Denn im Landtag hat die Abgeordnete Mürvet Öztürk die Flucht aus der Grünen-Fraktion angetreten – und dies mit der Flüchtlingspolitik begründet: Für die „Verschärfung des Asylrechts auf Kosten Schutzsuchender“ stehe sie nicht zur Verfügung.
Noch Parteimitglied
So ist zu erwarten, dass sich die Mitgliederversammlung auch mit der Personalie Öztürk beschäftigen wird. Denn auch wenn die Abgeordnete die Fraktion verlassen hat: Sie ist immer noch Mitglied der Partei und könnte sich in Limburg sogar zu Wort melden.
Zumal bis dahin eine weitere Facette des Flüchtlingsthemas hochkochen wird, das ihr besonders auf der Seele liegt: die Ausweitung sicherer Herkunftsstaaten. Darüber wird in der nächsten Woche die Bundesregierung mit den Ministerpräsidenten sprechen. Spätestens danach werden die Grünen in Hessen Farbe bekennen müssen.
Mürvüt Öztürk hat stets vehement dagegen argumentiert, Albanien und das Kosovo zu sicheren Herkunftsländern zu erklären. Dies berge die Gefahr, dass pauschal Flüchtlinge aus diesen Staaten als offensichtlich unbegründete Asylbewerber abgelehnt werden.
Verhandlungsmasse
Auch die Partei hat das Konzept der sicheren Herkunftsländer bislang strikt abgelehnt. Noch äußern sich die Spitzen der hessischen Grünen entsprechend. Tatsächlich aber gilt das Konzept in den Bund-Länder-Gesprächen als Verhandlungsmasse.
Nur: Warum Öztürk aus der Fraktion ausgetreten ist, bevor in dieser Frage die Würfel gefallen sind, bleibt vorerst ihr Geheimnis. Und so zeigen sich die Grünen im Landtag von ihrer Kritik tief getroffen: Die Unterstellung, man mache Asylpolitik zulasten der Menschenrechte, sei „falsch und empfinden wir als unverschämt“. So hat es die Parlamentarische Geschäftsführerin Angela Dorn an Funktionäre und Mandatsträger geschrieben.
Hinter den Kulissen ist es zu einem erbitterten Schlagabtausch gekommen: die abtrünnige Abgeordnete gegen den Rest der Landtags-Grünen. Da ist von Verletzungen die Rede, von „zahlreichen Vorwürfen und Beleidigungen“.
Noch in der vergangenen Woche hat Mürvet Öztürk kritisiert, die Fraktion habe es abgelehnt, das Thema Flüchtlinge ins Landessonderprogramm für Wohnungsbau aufzunehmen.
Jetzt hält die Fraktion dagegen: Die für Wohnungsbau zuständige Ministerin Priska Hinz prüfe längst, wie das möglich sei.
Und überhaupt: Mürvet Öztürk habe es oft für ausreichend gehalten, „ein Problem zu beschreiben, ohne jedoch umsetzbare Vorschläge für dessen Bearbeitung zu machen“.
Mittlerweile ist die Abgeordnete darum bemüht, den Ball flach zu halten. Was sie von dem Schreiben der Parlamentarischen Geschäftsführerin hält? „Ich will die Diskussion nicht weiter anheizen“, antwortet sie.