Hessens Wirtschafts- und Verkehrsminister Dieter Posch (FDP) hat angekündigt, gegen teure Naturschutzauflagen bei Verkehrsprojekten vorzugehen. Er fordert, Infrastrukturprojekte vom Artenschutz zu entkoppeln. So könne sogar mehr für den
Naturschutz erreicht werden. Als Beispiel nannte er den Bau der B 252 bei Marburg an, bei dem aufwendig der Schutz von Feldlerchen vor Verkehrslärm berücksichtigt werden müsse. An anderer Stelle müssten für streng geschützte Kammmolche zusätzlich Millionen investiert werden. Halten Sie den Gedanken für sinnvoll, an anderer Stelle mit diesem Geld möglicherweise mehr für den Natur- und Artenschutz erreichen zu können, als gekoppelt an ein konkretes Bauprojekt vor Ort? Oder verbietet sich dieser Gedanke für eine grüne Politikerin?
Der Vorstoß von Herrn Posch ausgerechnet im Jahr der Artenvielfalt ist haarsträubend. Anlässlich der Festveranstaltung zum Auftakt des Jahres 2010 der Artenvielfalt, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer Rede: „Eigentlich war es so, dass das Jahr 2010 dafür stehen sollte, dass wir bis dahin eine deutliche Reduktion des Biodiversitätsverlustes erzielen. Dieses Ziel werden wir nicht erreichen. Ich glaube, wir dürfen den Kopf nicht in den Sand stecken, sondern wir müssen es ganz klar so benennen, wie es ist. Deshalb muss dieses Jahr der Biodiversität, dieses Jahr der Artenvielfalt genutzt werden, um neuen Schwung zu holen und zur Kenntnis zu nehmen, dass die Verluste an Lebensräumen und Arten dramatisch sind und dass vor allen Dingen die Geschwindigkeit, in der dieser Prozess abläuft, beängstigend ist. …“.Diese Sätze der Kanzlerin müssten eigentlich auch bei der FDP Unterstützung finden.
Seit Jahren propagiert Posch Straßenbau ohne Rücksicht auf Verluste bei Fauna und Flora. Seine Einstellung zum europäischen Naturschutzrecht ist katastrophal. Warum wurde denn das europäische Naturschutzrecht auf den Weg gebracht? Weil man erkannt hat, dass immer mehr Tierarten auf der Roten Liste stehen, dass immer mehr Lebensräume vernichtet werden und immer mehr Arten aussterben. Angesichts der durch Verkehrsbauten in Vergangenheit und Gegenwart begangenen massiven Naturvernichtung sollte es eigentlich selbstverständlich sein, weitere Schäden zu vermeiden und ein Bauprojekt vor allem dann abzulehnen, wenn extrem hohe ökologische Kosten die Unverträglichkeit des Projekts mit der Natur dokumentieren.
Zu der Aussage von Herrn Posch, dass der Naturschutz ein Hemmnis für Investitionen sei, kann ich nur sagen: Naturschutz kostet Geld und deshalb muss man in den Vorplanungen den Naturschutz wirklich berücksichtigen und gegebenenfalls Alternativen finden. Das würde auch die Kosten von späteren Nachbesserungen vermeiden helfen. Ersatzmaßnahmen, wie sie Herr Posch nun vorschlägt, können ein sensibles Ökosystem mit bedrohten Arten häufig eben nichtersetzen. Das ist längst erwiesen.
Und was den immer wieder bemühten Kammmolch betrifft: Beim Bau der A 49 ersparte der Kammmolch dem Land umgerechnet 50 Millionen € – durch eine Alternativplanung. Das heißt in Kammmolchwährung: 5.000 Kammmolche ersparten dem Land 50 Millionen Euro; das sind umgerechnet 10.000 Euro pro Kammmolch. Das nur als Beispiel dafür, dass alternative Straßenführungen zur Wahrung naturschutzrechtlicher Belange bei Straßenverkehrsinfrastrukturprojekten nicht zwangsläufig eine Verteuerung bedeuten. Auch das Argument der Arbeitsplätze überzeugt mich nicht. Verkehrsinfrastruktur schafft langfristig keine Arbeitsplätze. Außerdem wird häufig versucht Projekte durchzusetzen, deren Planungsgrundlage schon viele Jahre zurückliegt und dem heutigen Klimagedanken diametral entgegenwirkt. CDU und FDP versuchen zu suggerieren, dass das Umsetzen von gewaltigen Straßenverkehrsprojekten, strukturelle und finanzielle Probleme des Landes und der Regionen lösen können. Das ist reine Augenwischerei.
Wir leisten uns Steuergeschenke und umweltschädliche Subventionen. Aber wir können es uns nicht leisten den Naturschutz wieder an den Rand zu drängen. Die Natur ist nicht ein Hindernis für den Menschen bei seiner Entfaltung, sondern seine Grundlage. Für mich als GRÜNE Politikerin gilt nach wie vor: Wir haben die Erde von den Kinder nur geborgt.
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