n-tv.de, 09.04.2017
Ein letztes Mal wandte sich der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan am Samstag an seine Anhänger im Ausland. „Ich rufe [euch] von Istanbul aus zu“, sagte er. „Unterschätzt es nicht! Geht ohne zu zögern an die Wahlurnen und stimmt ab!“ Und tatsächlich bildeten sich vor den 13 Wahllokalen in der Bundesrepublik am Sonntag noch einmal teils lange Schlangen. Um 21 Uhr endet die zweiwöchige Abstimmungsphase – und schon jetzt zeichnet sich eine wesentlich höhere Wahlbeteiligung ab als vor anderthalb Jahren. Bei der Parlamentswahl im November 2015 machten rund 41 Prozent der in Deutschland lebenden Türken ihr Kreuz auf dem Wahlzettel. Die Mehrheit von ihnen (60 Prozent) stimmte für die Regierungspartei AKP – und damit für Erdogan. Dass das Ergebnis des Referendums ähnlich eindeutig ausfällt, ist zumindest unwahrscheinlich.
Türkische Oppositionspolitiker rechnen damit, dass sich diesmal mindestens die Hälfte der Deutschtürken am Referendum beteiligt. „Bei den Türken ist es in der Regel so, dass sie erst am letzten Tag wählen gehen“, sagte Kenan Kolat vom Berliner CHP-Verein der „Berliner Zeitung“. Die Hoffnung der Republikanischen Volkspartei (CHP) ist, dass sie mit der Kampagne gegen das Präsidialsystem jene Mehrheit der Deutschtürken mobilisieren konnte, die in der Vergangenheit kein großes Interesse an politischer Mitbestimmung in der Türkei hatte. Diese Hoffnung ist nicht ganz unbegründet: Denn selten löste eine türkische Wahl hierzulande eine derart breite Kontroverse aus.
Wochenlang war über ein generelles Wahlkampfverbot für türkische Politiker in Deutschland diskutiert worden – auch weil man fürchtete, dass innertürkische Konflikte die Deutschtürken entzweien könnten. Vor allem aber, weil die von Erdogan angestrebte Verfassungsreform alldem widerspricht, was in Deutschland unter einer Demokratie verstanden wird. Letztlich war es jedoch die Regierung in Ankara, die einen Rückzieher machte und alle weiteren Wahlkampfveranstaltungen absagte – nicht, ohne noch einmal die fehlende Meinungsfreiheit und die angeblichen „Nazi-Methoden“ deutscher Behörden zu beklagen.
Ein fragwürdiger Wahlkampf
Durch die Absage habe sich „die Lage entspannt“, sagte die hessische Landtagsabgeordnete Mürvet Öztürk nun der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ (FAS). Sie hatte öffentlich für ein „Nein“ zur Verfassungsreform geworben und war deshalb von einer regierungsnahen türkischen Tageszeitung massiv angefeindet worden. Der Hamburger Rechtsanwalt Mülayim Hüseyin bezweifelt jedoch, dass sich der Wahlkampf Erdogans zuletzt auf Verbalattacken aus der Ferne beschränkt hat. Dem Berliner Radiosender „105.5 Spreeradio“ sagte Hüseyin, er habe Strafanzeige bei der Hamburger Staatsanwaltschaft und dem türkischen Generalkonsulat erstattet. […]
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