[FR] Grüne verlieren Sitz im NSU-Ausschuss

Quelle: www.fr-online.de
Autor: Pitt von Bebenburg, Landtags-Korrespondent, Wiesbaden

Der NSU-Untersuchungsausschuss des hessischen Landtags hat eine neue Zusammensetzung. Die Grünen haben einen Sitz verloren – und zwar ausgerechnet den von Daniel May, der den Abschlussbericht des Gremiums vorbereiten sollte. Die CDU nimmt den vakanten Sitz ein und entsendet den Abgeordneten Ralf-Norbert Bartelt als sechsten CDU-Parlamentarier.

Rücktrittsschreiben von Mürvet Öztürk

Sehr geehrter Herr Plass,

Hiermit möchte ich ihnen mitteilen, dass ich heute Vormittag meinen sofortigen Austritt aus der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in Hessischen Landtag erklärt habe. Ich sehe die Grundlage für eine weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit nicht mehr gegeben. Eine Zusammenarbeit, in der ich mich den politischen Herausforderungen mit aller Kraft widmen und gleichzeitig den Inhalten, für die ich kandidiert habe, treu bleiben kann. Für die Verschärfung des Asylrechts auf Kosten Schutzsuchender stehe ich nicht zur Verfügung. In der Fraktion und Koalition sehe ich für mich keine Zukunft mehr, die Flüchtlings- und Integrationspolitik so zu gestalten, wie ich es seit Jahren politisch vertrete. Daher hab ich nach reiflicher Überlegung meiner Fraktion mitgeteilt, dass ich meine Konsequenzen ziehe und mit sofortiger Wirkung aus der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Hessischen Landtag austrete. Die Arbeit in den Fachausschüssen habe ich ebenfalls umgehend niedergelegt. Mein Mandat werde ich weiterhin ausüben und stehe mit meinen Möglichkeiten für die Menschen vor Ort als Ansprechpartnerin zur Verfügung.

Abschließen möchte ich mit einem Zitat von Erich Kästner: „Auch mit Steinen, die dir in den Weg gelegt werden, kannst Du etwas Schönes Bauen“. Im Sinne dieser Weisheit möchte ich in eine neue Phase meiner politischen Arbeit eintreten.

Mit freundlichen Grüßen
Mürvet Öztürk

 

Das ist die Konsequenz daraus, dass die Landtagsabgeordnete Mürvet Öztürk in der vorigen Woche ihren Austritt aus der Grünen-Fraktion erklärt hatte. Die Fraktion schrumpfte dadurch von 14 auf 13 Mitglieder.

Download: Anmerkungen der Grünen-Fraktion zur Austritts-Erklärung

Die Sitze in den Landtagsausschüssen werden so verteilt, dass sie die Stärke der Fraktionen im gesamten Parlament möglichst widerspiegeln. Berechnet wird dies nach dem Verfahren Hare-Niemeyer.

Mehr Sitze für die CDU

Danach müssen die Grünen nicht nur im Untersuchungsausschuss, sondern in allen kleineren Ausschüssen einen Sitz an die CDU abgeben. Die Grünen wenden ein, dass die Ausschüsse durch diese Verschiebung nicht mehr das Kräfteverhältnis im Landtag wiedergäben. So könnte die CDU theoretisch auch mit der FDP eine Mehrheit im Ausschuss bilden, was im Landtag nicht möglich ist.

Nun wird intern diskutiert, wie dieses Problem zu lösen ist. Als denkbare Variante gilt eine Vergrößerung der Ausschüsse.

Im NSU-Ausschuss kommt ein weiterer Haken hinzu. Der Landtag hat in seinem Einsetzungsbeschluss 2014 aufgelistet, wie viele Abgeordnete jede Fraktion entsendet. Daher stellt sich die Frage, ob der Landtag darüber beschließen muss, wenn sich die Zusammensetzung ändert.

Die Grünen-Politikerin Öztürk hatte in der vorigen Woche ihren Austritt aus der Fraktion verkündet und zur Begründung die Flüchtlings- und Integrationspolitik der Grünen-Fraktion und der schwarz-grünen Koalition angeführt. Die Fraktionsspitze der Grünen wies Öztürks Kritik in einem dreiseitigen Schreiben zurück, das aus dem Büro der parlamentarischen Geschäftsführerin Angela Dorn an Grünen-Funktionäre in Hessen verschickt wurde und der Frankfurter Rundschau vorliegt.

Mehr dazu: Öztürk verlässt Grünen-Fraktion

Darin wird der Abgeordneten vorgeworfen, sie habe wochenlang jede Kommunikation verweigert. Zudem habe sie Probleme in der Flüchtlingspolitik nur beschrieben, ohne „umsetzbare Vorschläge“ für deren Lösung vorzulegen. Das gelte etwa bei der Sprachförderung für erwachsene Flüchtlinge.

Öztürk wies die Kritik im Gespräch mit der FR zurück. Sie habe Vorschläge für Sprachkurse gemacht, die aber von der Fraktion nicht angenommen worden seien. Zudem sei sie, abgesehen von einer Krankheitsphase, auch im Sommer erreichbar gewesen.