Sehr verehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie bereits in der letzten Plenardebatte angekündigt, wollen wir GRÜNE die Härtefallkommission auf vollkommen neue Füße stellen. Wir wollen eine neue Besetzung der Härtefallkommission und das gesetzlich regeln. Heute möchte ich Ihnen gern diesen Gesetzentwurf vorstellen.
Unserer Meinung nach ist es höchste Zeit, den Zustand eines Gremiums zu ändern, das bereits seit Juli 2004 die gesetzliche Möglichkeit hat, zusammenzukommen und ausreisepflichtigen Ausländerinnen und Ausländern in besonderen Fällen das Innenministerium um eine Bleiberechtsregelung zu ersuchen. In Hessen ist dieses Gremium ausschließlich mit Abgeordneten besetzt. Wir GRÜNE haben von vornherein, als es in der ersten Debatte darum ging, wie eine Härtefallkommission aussehen soll, dafür plädiert und darauf hingewirkt, dass es eine Kommission sein sollte, die ohne Abgeordnete politikfern besetzt wird mit Personen aus den kirchlichen Vereinen und Verbänden, aus Fachkreisen, die ohnehin seit Jahren mit Flüchtlingsarbeit zu tun haben.
Inzwischen haben auch die anderen Fraktionen, besonders FDP und CDU, eingesehen, dass eine Veränderung stattfinden muss. In der letzten Sitzung haben wir darauf hingewiesen, warum wir einen Gesetzentwurf einbringen und keinen Antrag stellen; weil wir als Parlament die Möglichkeit haben, es durch Gesetz selbstständig zu regeln. Als GRÜNE möchten wir Ihnen heute mit unserem Gesetzentwurf vorstellen, wie eine Härtefallkommission behördenunabhängig zusammengesetzt sein und politikfern gestalten kann.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN schlägt vor, dass zwölf Vertreterinnen und Vertreter in dieser Härtefallkommission sitzen sollen: jeweils zwei Vertreterinnen oder Vertreter der Kirchen, zwei Vertreterinnen oder Vertreter der Liga der freien Wohlfahrtspflege, eine Vertreterin oder ein Vertreter des Hessischen Flüchtlingsrates, eine Vertreterin oder ein Vertreter von Amnesty International, eine Vertreterin oder ein Vertreter der Arbeitsgemeinschaft der Ausländerbeiräte, eine Vertreterin der Beratungseinrichtungen für Frauen auf Vorschlag der Landesarbeitsgemeinschaft der hessischen Frauenbüros, eine Vertreterin oder ein Vertreter der Beratungseinrichtungen für Opfer von Menschenhandel, eine Vertreterin oder ein Vertreter des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport, ein Mitglied mit medizinischem Sachverstand sowie eine Vertreterin oder ein Vertreter der kommunalen Körperschaften.
Ich erwähne diese Zusammensetzung noch einmal, weil in der letzten Plenardebatte heftig darüber gestritten wurde, wie diese Kommission aussehen könnte. Mit diesem Vorschlag sind wir dem SPD-Antrag sehr nahe. Ich denke, dass damit Personen, die ohnehin seit Jahren mit dieser Thematik arbeiten, eine Möglichkeit haben, gegenüber dem Innenministerium in besonderen Härtefällen für notwendige Bleiberechtsersuchen einzutreten. Der Unterschied zur SPD besteht aber darin, dass wir gar keine Abgeordnete in der Härtefallkommission vorgesehen haben.
Wir sind der Meinung, dass dies eine gute Basis für eine funktionierende Härtefallkommission ist, und wir sind auch der Meinung, dass diese Besetzung der Härtefallkommission eine vertrauensvolle Zusammenarbeit innerhalb der Kommission und mit der Öffentlichkeit gewährleisten wird. Es ist sehr wichtig, dass die Härtefallkommission eine breite Akzeptanz von außen erhält und dass sie deshalb mit einem breiten Spektrum von Menschen aus verschiedenen Organisationen zusammengesetzt ist, die sich in ihrer Arbeit ohnehin mit dem Schicksal von Flüchtlingen beschäftigen und politikfern ihre Fachkompetenz einbringen. Wir haben den medizinischen Sachverstand einbezogen und wollen auch die kommunalen Körperschaften anhören, weil es sehr wichtig ist, dass in Zweifelsfällen, z. B. wenn es um Kostenübernahme bei Flüchtlingen geht, die kommunalen Vertretungen mitsprechen können.
Aus pragmatischen Gründen wollen wir, dass der Vorsitz der Kommission mit einer Vertreterin oder einem Vertreter des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport besetzt wird. Denn im Endeffekt ist das Innenministerium die Instanz, die entscheiden wird, ob dem Härtefallersuchen stattgegeben wird oder nicht. Wir wollen, dass eine Geschäftsstelle der Härtefallkommission eingerichtet wird, die ebenfalls beim Innenministerium angesiedelt ist. Denn hier kann der intensive Kontakt zwischen der Geschäftsstelle und dem Vorsitzenden der Kommission eine effektive und zielgerichtete Arbeit gewährleisten.
Fachliche Einschätzungen müssen nach Ansicht von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf jeden Fall fern von der Tagespolitik gestaltet werden. Ich erwähne das immer wieder, weil in der Debatte einfach unterschätzt wird, wie wichtig es ist, wenn Vereine und Verbände ihre Erkenntnisse einbringen können
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
und in sehr wichtigen humanitären Fällen das Innenministerium um Ausnahmen ersuchen können.
Eine weitere Veränderung in der Härtefallkommission, wie wir sie vorschlagen, ist, dass die Betroffenen nicht mehr gezwungen sind, ihr verfassungsmäßig garantiertes Recht auf Anrufung des Petitionsausschusses vorher zu verbrauchen, bevor sich die Härtefallkommission mit ihnen befasst. Wir möchten damit den Betroffenen die Möglichkeit geben, direkt an die Härtefallkommission heranzutreten und damit einen langjährigen Umweg – erst über den Petitionsausschuss, dann über die Härtefallkommission – zu vermeiden. In Fällen, in denen man der Meinung ist, es ist wirklich ein Härtefall, kann das auch die Härtefallkommission entscheiden, und man muss nicht erst den Umweg über den Petitionsausschuss gehen.
Einen anderen Punkt, den ich heute auch erwähnen möchte, ist, dass unser Gesetzentwurf nur grundlegende Regularien zur Neuausrichtung der Härtefallkommission enthält, beispielsweise die Zusammensetzung, die Geschäftsstelle und den Vorprüfungsausschuss. Für alles Weitere, wie die Geschäftsstelle die Arbeit organisieren und koordinieren will, soll sie durch eigene Verfahrensgrundsätze regeln, wie z.B. Ausschlusskriterien und dergleichen festlegen. Denn es ist wichtig, dass die Kommission, die die Verantwortung für ihre Arbeit trägt, daher auch die Möglichkeit hat, die Detailfragen selbst zu regeln.
Hiermit vertrauen wir der Härtefallkommission, dass sie ausgewogene Kriterien erarbeiten und zusammenstellen wird, somit politikfern gestalten wird.
In unserem Entwurf, in dem die Härtefallkommission aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von den aktuellen parteipolitischen Diskussionen führen kann, machen wir uns die Gedanken, die schon längst in anderen Bundesländern gemacht worden sind. Wir speisen die Ideen und Erfahrungen ein, die schon längst in anderen Bundesländern gemacht worden sind: Wenn es um eine Härtefallkommission geht, wenn es darum geht, über Ausnahmefälle und Härtefälle zu entscheiden, dann ist es wichtig, dass dies kurz und knapp geschieht, dass vor allem das Verfahren schnell ist.
Wir haben daher vorgesehen, dass von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen abgesehen wird, solange man sich in der Härtefallkommission mit einem Fall befasst. Wir haben in unserem Gesetzentwurf auch vorgeschlagen, dass ein Härtefall innerhalb von drei Monaten nach Eingang in der Geschäftsstelle abschließend behandelt werden soll, weil wir den Personen, die in humanitär schwierigen Lagen sind, keine Zitterpartie zumuten wollen. Vielmehr wollen wir, dass sich diese Kommission schnell damit befasst und entscheidt, ob ein Härtefall gegeben ist oder nicht, und dann quasi das Innenministerium ersuchet, diesem Anliegen stattzugeben.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Turgut Yüksel (SPD))
Ich denke, dieser Gesetzentwurf wird auf breiten Konsens stoßen, weil die Anträge im Endeffekt in die gleiche Richtung gehen. Wir sind einen Schritt weiter gegangen, indem wir einen Gesetzentwurf eingebracht haben. Uns liegen in erster Linie die Schicksale der Menschen am Herzen. Uns liegt in erster Linie am Herzen, dass wir in Fällen, wo eindeutig ist, dass sie anders und außerhalb der gesetzlichen Möglichkeiten entschieden werden müssen, also in Ausnahmefällen, mit Vereinen und Verbänden beraten wird. Hier erhoffen wir uns eine viel bessere Entscheidungsmöglichkeit und eine schnellere Handhabe, wenn es um menschliche geht.
Ich freue mich daher auf die Anhörung, in der uns die Experten sicherlich das eine oder andere aus ihrer Praxis mitgeben werden. Ich freue mich auf die breite Unterstützung, die wir bestimmt in diesem Hause finden werden, und bedanke mich für Ihr Interesse.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))
Erster Vizepräsident Lothar Quanz:
Danke sehr, Frau Öztürk.
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