[FR] Türkei-Wahlkampf in Offenbach

frlogo_400x400Frankfurter Rundschau, , 25.03.2017

„Nein“ steht auf der Einladung und den Flyern der Kampagne. Den schwarzen Buchstaben folgt ein rotes Ausrufezeichen. Als solle die Bedeutung gleich doppelt unterstrichen werden. Auch auf Türkisch haben die Initatoren ihre Flugblätter drucken lassen. Darauf heißt es: „Hayir!“

120 000 Hessen mit türkischem Pass sind in den kommenden zwei Wochen aufgerufen, beim Referendum zur Verfassungsänderung in der Türkei ihre Stimmen abzugeben. Wahllokal ist das Generalkonsulat in Frankfurt-Niederrad. Allein in Stadt und Kreis Offenbach leben gut 18 000 Türken, in Frankfurt knapp 27 000.

„Viele Leute denken, es sei eh egal ob sie wählen gehen oder nicht“, sagt Selver Erol. Die türkischstämmige Dietzenbacherin hat die Nein-Kampagne, die die Landtagsabgeordneten Mürvet Öztürk (Die Grünen) und Turgut Yüksel (SPD) initiiert haben, in den Kreis Offenbach geholt. Egal sei es aber keineswegs. Bei der Parlamentswahl in der Türkei im November 2015 seien von den Wahlberechtigten Türken in Deutschland nur 40 Prozent zur Wahl gegangen. Für Recep Tayip Erdogangs Partei AKP hätten dabei 56 Prozent gestimmt. Deswegen will die Nein-Kampagne nun die große Zahl der Nichtwähler mobilisieren.

„Wir sollten für die Demokratie einstehen“, sagt Erol. Das Referendum sei eine sehr wichtige Entscheidung. Schließlich gehe es um Grundsätzliches. „Die politische Atmosphäre bestätigt uns, wie wichtig der Einsatz ist, um den Plänen Erdogans eine Absage zu erteilen.“ Menschen als „Vaterlandsverräter“ oder „Terroristen“ zu bezeichnen, weil sie sich für ein Nein einsetzten, „das geht natürlich nicht“. Doch so würden auch in Deutschland unter Türken Ängste geschürt.

„Manche haben Interesse, trauen sich aber nicht, für ein Nein zu werben“, sagt sie. Selbst wenn sie so abstimmen wollten. Doch es gebe Sorgen vor Ausgrenzung durch Nachbarn oder Kollegen.

Öztürk, die die Kampagne mit- initiiert hat, weiß zudem von Menschen, die Angst haben, ihnen werde in Zukunft die Einreise in die Türkei verweigert, wenn sie mit Nein stimmen. Solche Einschüchterungen seien für sie auch ein Grund gewesen, um für ein Nein zu mobilisieren: „Das dürfen wir nicht kampflos hinnehmen.“ Schließlich gehe es um einen geplanten Systemwechsel weg von der Demokratie.

Bevor am Montag das Wahllokal öffnet, wollen Erol und Öztürk allen Mitstreitern aus Stadt und Kreis Offenbach nochmal Mut machen. „Wir wollen alle aktiven Personen darauf einstimmen, Leute zum Wählen zu mobilisieren“, so Erol. Zudem sollen Fahrgemeinschaften zum Konsulat organisiert werden.

Die 150 000 Flyer, die Öztürk, Yüksel und ihr Team haben drucken lassen, sind laut Öztürk schon weg. Nun wird nachgedruckt.

Das Engagement trage schon Früchte, sagt Erol. Sie selbst habe 18 Personen in ihrem Umfeld angesprochen und motiviert, wählen zu gehen. Sie hätten die Wahl vorher für nicht so wichtig gehalten.

Originallink: http://www.fr.de/rhein-main/offenbach-tuerkei-wahlkampf-in-offenbach-a-1246466