„Der Beitritt der Türkei in die EU ist immer noch ein sinnvolles Ziel“

Vortragsreihe an der Technischen Hochschule Mittelhessen:
Mürvet Öztürk, Mitglied des Hessischen Landtages (Bündnis 90/ Die Grünen) zu „Europa und die Türkei“

Der vorletzte Vortrag der öffentlichen Vortragsreihe an der Technischen Hochschule Mittelhessen (THM) befasste sich mit dem Beitrittsprozess und Perspektiven der Türkei in die Europäische Union.

Die Landtagsabgeordnete Mürvet Öztürk  zeichnete in ihrem beruflichen Werdegang ihre bisherigen beruflichen Erfahrungen und Beziehung zwischen der Europäischen Union und der Türkei nach. 2004 bis 2005 arbeitete sie für die Bundestagsfraktion der Bündnis 90/Die Grünen als Referentin für Türkeipolitik. 2005 war sie Referentin für Türkeifragen und Islam im Büro des ehemaligen Europaabgeordneten Cem Özdemir, um dann 2006 bis 2008 als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Büro der Europaabgeordneten Heide Rühle zu arbeiten.

In einer Darstellung der bisherigen Entwicklung der Europäischen Union von 1951 bis 2007, erörterte sie die Chronologie der Entstehung der Europäischen Union und ihrer Erweiterungspolitik. Auch die Historie des Beitrittsprozesses der Türkei in die EU wurde skizziert.  Sie erinnerte daran, dass die Türkei seit 1949 Mitglied im Europarat ist, im Jahre 1963 kam es zum  Assoziierungsabkommen zwischen der Türkei an die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG). Als 1995  das Zollunionsabkommen zwischen der Europäischen Union und der Türkei beschlossen wurde, kam es zu einem engeren wirtschaftlichen Austausch, der stetig angestiegen sei.  Nach langwierigen politischen Verhandlungen einigten sich  die EU-Außenminister 2005 auf den Beginn der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei, der in den letzten Jahren ins Stocken geraten sei, so Öztürk.

Neben den politischen Aspekten erörterte die Referentin auch die wirtschaftliche Entwicklung und Perspektive des Landes. 2011 erzielte die türkische Wirtschaft ein Wachstum von 10,2 Prozent und damit weltweit die höchsten Wachstumsrate. Über ein Drittel der Erwerbsbeschäftigten arbeiten in der Landwirtschaft und erwirtschaften 10 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP). Im Westen der Türkei sind die Leicht- und Schwerindustrie vertreten, mit 25 Prozent des BIP. Den größten Anteil des BIP nimmt der Dienstleistungssektor mit ca. 60 Prozent ein. Im Südosten des Landes sind seit Mitte der 80er Jahre erhebliche Anstrengungen unternommen worden die das bestehende West-Ost Gefälle langfristig verringern sollen. Deutschland ist auch 2011 wieder der wichtigste Handelspartner der Türkei.

Zum Abschluss ihres Vortrages stellte die Landtagsabgeordnete die Argumente der Bündnis 90/Die Grünen für einen Beitritt der Türkei zur EU dar.  Die Europäische Union sei mehr als eine bloße Wirtschaftsunion. Sie vertrete elementare Werte wie z.B. die Menschen- und Minderheitenrechten. Der Betritt einer Türkei habe eine Signalwirkung auf die arabischen Länder. Die Entwicklung in den arabischen Ländern zeige den Vorbildcharakter und die Ausstrahlungskraft des Landes. Während in der Türkei die Trennung von Staat und Religion seit Republiksgründung verankert sei und eine starke Zivilgesellschaft besitzt, stünden  Länder wie Ägypten, Libyen und Tunesien vor neuen und großen Herausforderungen. Dennoch werde der Umgang mit der Türkei prägend für die Rolle Europas mit dem Nahen Osten.

In der abschließenden Diskussion wurde auch die Integration der türkischen Bevölkerung innerhalb der Europäischen Union erörtert. Ein Beitritt des Landes würde nach Ansicht  Öztürks das Zugehörigkeitsgefühl an Europa stärken und die Akzeptanz von Türkeistämmigen in Europa fördern.

Die Reihe „Europa 2011 – Aktuelle Aspekte und Entwicklungen“ organisiert die THM gemeinsam mit der IHK Gießen-Friedberg und der überparteilichen Europa-Union Wetterau. Sie wird am kommenden Mittwoch, 14.12.2011 um 17:30 Uhr im Raum C10 der Technischen Hochschule Mittelhessen in Friedberg fortgesetzt. Es spricht Silke Bock, Zentrum für Qualitätsentwicklung der Technische Hochschule Mittelhessen, zum Thema „Der Bologna – Prozess – Erfahrungen an den Hochschulen am Beispiel der Technischen Hochschule Mittelhessen“.

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