31. Juli 2016
Die jüngsten Anschläge in Deutschland haben die Menschen erneut in Angst und Schrecken versetzt. Alle Täter waren Migranten, zum Teil Menschen, die als Flüchtlinge hier Schutz gefunden hatten. Durch die Bluttaten stellen viele nun wieder Flüchtlinge unter Generalverdacht. Manche fordern schärfere Eingangskontrollen und anderes. Was ist Ihrer Meinung nach die beste Methode, auf diese Situation zu reagieren?
Mürvet Öztürk: Die letzten Anschläge und Amokläufe in Deutschland sowie jüngst wieder in Frankreich sind erschreckend und zu verurteilen. Wir müssen allerdings besonnen bleiben und nicht panisch hinter jedem Muslim oder Nachbarn mit Migrationshintergrund einen potenziellen Gefährder unserer Sicherheit sehen. Das wäre genau das Ziel derer, die unsere Gesellschaft in Panik stürzen wollen.
Viele Flüchtlinge sind nun genauso verunsichert und sorgen sich vor dem Terror, vor dem sie auch selbst geflohen sind. Viele Menschen mit Migrationshintergrund fragen sich selbst, wie sie ihre Kinder vor Radikalisierung schützen können und brauchen mehr Hilfe vom Staat. Mit Staat meine ich auch eine besser bezahlte, geschulte und ausgestattete Polizei, damit sie die vielfältigen Herausforderungen besser meistern kann. In München hat die Polizei hervorragende Arbeit geleistet. In diesem Zusammenhang möchte ich vor scheinbaren Lösungswegen wie dem Aufbau einer Hilfspolizei oder dem Einsatz der Bundeswehr im Inneren warnen. In Deutschland ist es die Polizei, die das passende Know-How im Umgang mit diesen Situationen hat. Und ich glaube, da gibt es keinen Königsweg.
Die Wiederholung mancher politischer ideologischer Debatten bringt herzlich wenig. Es braucht keine Verschärfung des Asylrechts. Eine Asylverweigerung für Muslime ist absurd und höhlt unseren Rechtsstaat aus. Wir brauchen eine gesunde Mischung aus Prävention und Repression, mehr gut bezahlte und gut ausgebildete Richter, Sozialarbeiter und mehr therapeutische Begleitung instabiler Menschen, damit diese sich nicht in Extremismus und Fanatismus flüchten. Der Amoklauf eines psychisch labilen Jungen in München hatte wohl einen ganz anderen Hintergrund als der vermutlich terroristische Anschlag von Ansbach. Dementsprechend sind auch der Umgang und die daraus zu schließenden Konsequenzen der beiden Bluttaten anders zu bewerten. Wir brauchen mehr besonnene Politiker und Medien statt populistische Schnellschüsse.
Wie sieht Ihr Terminplan für die nächste Woche aus?
Aufgrund der Sommerpause stehen keine Termine in der kommenden Woche an.
Mürvet Öztürk aus Wetzlar gehört seit 2008 dem Hessischen Landtag in Wiesbaden an. Im September 2015 trat sie im Streit um die Flüchtlingspolitik aus der Fraktion von Bündnis ’90/Die Grünen aus.
Dieser Beitrag ist ursprünglich am 31.07.2016 in der Wetzlarer Neuen Zeitung erschienen.